25.11.2020

COVID-19 Talk: F&B Management unter erschwerten Bedingungen

Ein Interview mit Shachar Elkanati

Shachar Elkanati, Corporate Director of Food & Beverage at GCH | © Shachar Elkanati, Corporate Director of Food & Beverage at GCH

Seit März steht das Hotelgewerbe weltweit vor neuen Herausforderungen. Obwohl Hygiene vor allem im F&B-Bereich schon immer eines der wichtigsten Kriterien war, sehen sich Manager und Mitarbeiter mit bislang unbekannten Situationen konfrontiert. Wir haben mit Shachar Elkanati, Corporate Director of Food & Beverage bei der GCH Hotel Group, über seine Erfahrungen während der letzten Monate sowie seine Ideen für die Zukunft von F&B gesprochen.


Wann wurde Ihnen zum ersten Mal wirklich bewusst, dass sich die Dinge für Ihre Abteilung und das gesamte Unternehmen drastisch ändern würden?

Ehrlich gesagt sind meine Erinnerungen an die Ereignisse ziemlich verschwommen. Von einem Tag auf den anderen sind wir von unserer täglichen Arbeitsroutine ins Home-Office gegangen. Zu Beginn nahmen wir noch an, dass sich die Situation innerhalb von zwei Wochen wieder normalisieren würde. Doch dann fing es erst richtig an. Für mich kam alles sehr überraschend und plötzlich.

Wie war es für Sie, von zu Hause aus zu arbeiten?

Ich hatte noch nie zuvor von zu Hause aus gearbeitet. Wir haben drei Kinder, also waren wir neben unserer Rolle als Angestellte und Eltern plötzlich auch Lehrer. Wie wohl für alle Eltern war es auch für uns eine Herausforderung, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Es dauerte definitiv ein wenig, bis ich mich daran gewöhnt hatte.

Wie haben Sie den Kontakt mit Ihrem Team aufrechterhalten?

Unerwartet erwies sich die Heimarbeit als sehr produktiv. Ich habe alles geschafft, was zu erledigen war. Plattformen für Videotelefonie und andere Tools haben es einfach gemacht, mit dem Team in Kontakt zu bleiben. Während dieser Zeit habe ich gemerkt, dass wir wirklich alles hinbekommen können, auch, wenn wir nicht direkt vor Ort im Büro sind.

Wie sah die Kommunikation mit dem Team, dem höheren Management und anderen Abteilungen aus?

Ich finde, dass unser Management großartige Arbeit geleistet hat, um die Kommunikation aufrecht zu erhalten. Jeden Tag gab es eine Telefonkonferenz mit den Abteilungsleitern und den AVPs. Egal, ob man zu Hause war oder vor Ort, jeder wurde rechtzeitig über Änderungen informiert. Ich denke, dabei hat sich gezeigt, dass das Home-Office tatsächlich eine gangbare Alternative ist. Wir bekamen es nicht nur einfach hin, wir bekamen es sogar sehr gut hin.

Wie fühlte sich die Rückkehr ins Büro nach einigen Monaten im Home-Office an?

Am Anfang war es sehr ungewohnt und auch einsam. Es waren ja nur die Abteilungsleiter vor Ort. Direkte Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ist das entscheidende Element, was einen professionellen Büroalltag normalerweise ausmacht. Aber da meine Kollegen nach wie vor zu Hause waren, griffen wir hauptsächlich auf Online-Kommunikation zurück. Wie zuvor erwähnt, funktionierten die täglichen Telefongespräche super. Jeden Tag erhielten wir Status-Updates von den Hotels und erfuhren so von Schwierigkeiten im Tagesgeschäft. Nachdem wir die dringendsten Probleme gelöst hatten, konnten wir ein wenig entspannen. Anstelle täglicher Telefonkonferenzen gab es drei Mal pro Woche Updates und am Ende einmal pro Woche. Dank der effizienten Kommunikation wuchs auch das Vertrauen der Hotels in uns. Die Hemmschwelle, sich bei Fragen und Problemen an uns zu wenden, ist nun wieder ausgeglichen.

Welche Maßnahmen und Lösungen haben Sie für den F&B-Bereich eingeführt? Und wie wurden diese in den einzelnen Hotels umgesetzt?

Aufgrund der neuen Dynamiken war es nicht einfach. Wir mussten uns neue Konzepte einfallen lassen, die trotz reduzierten Personals und drastischer Einschränkungen von Seiten der Regierung funktionieren würden. In einigen Hotels mussten Angestellte aus anderen Bereichen im F&B-Tagesgeschäft aushelfen. Es war sehr herausfordernd, Konzepte zu erstellen, mit denen auch Leute ohne F&B-Hintergrund einfach arbeiten konnten.

Zu Beginn ging es darum, den Gästen einen Aufenthalt überhaupt wieder möglich zu machen. Wir führten Frühstücksboxen ein, da dies die sicherste und effizienteste Variante war, Frühstück anzubieten. Als die Landesregierungen nach und nach die Auflagen lockerten, hatten wir mehr Freiraum, um weitere Szenarien zu entwickeln. Klingt vielleicht einfach, war es aber ganz und gar nicht. Wir mussten die individuelle Situation in jedem Hotel sowie die unterschiedlichen Vorgaben in den einzelnen Bundesländern beachten. Also entwickelten wir sechs verschiedene Szenarien, die einen grundlegenden Rahmen schafften. Dieser Rahmen konnte nun mit verschiedenen Bausteinen gefüllt und an die jeweilige Situation in den Hotels angepasst werden. Die Hotels entschieden, welches Szenario am besten funktionieren würde und personalisierten dieses dann. Es ging bei der Entwicklung der Szenarien nicht um Innovation, sondern darum, smart und effizient zu sein. Es war wichtig, sicherzustellen, dass sowohl die Angestellten als auch die Hotelgäste die Notwendigkeit und den Grund für gewisse Maßnahmen verstanden. Das Ganze war ein organischer Prozess, mit einigen Rückschritten. Manche Szenarien sahen auf dem Papier toll aus, funktionierten in der realen Situation aber nicht. Also setzten wir uns wieder hin und adaptierten sie.

Welches Feedback haben Sie von Hotels und Gästen hinsichtlich der unterschiedlichen Vorschriften erhalten?

Auch hier gab es viele Variablen. Den Vorschriften und Verordnungen der Länder standen die Wünsche und Erwartungen der Hotelgäste gegenüber. Unsere Aufgabe war es, einen Mittelweg zu finden, der alle Möglichkeiten abdeckt. Es war sehr interessant zu sehen, wie sich unsere Szenarien innerhalb der unterschiedlichen Rahmenbedingungen entwickelten. Es war nicht immer einfach, da ja die Wünsche der Gäste nicht wirklich mit den Vorschriften einher gingen. Daher war auch hier Kommunikation der Schlüssel. Es war einfach „Learning by Doing“. Es gab keinen Leitfaden oder Erfahrungswerte, auf die wir zurückgreifen konnten.

Wird Covid-19, Ihrer Meinung nach, langfristige Auswirkungen auf die Hotellerie, F&B im Allgemeinen und die GCH als Ganzes haben? Wenn ja, welche?

Nun, die Situation hat uns definitiv die Möglichkeit gegeben, einen Schritt zurück zu gehen und zu reflektieren. Viele unserer F&B-Bereiche sind nach wie vor geschlossen. Das gibt mir die Gelegenheit, unsere bisherige Arbeit zu überprüfen und herauszufinden, was wir gut gemacht haben und was wir noch verbessern können. Wir haben nun die Chance, F&B Operations in den Hotels zu optimieren. Angefangen von der Art des Restaurants – À la carte oder nicht – über die Einkaufs- und Versorgungsstrategie bis hin zur Optimierung des Konferenz- und Frühstücksangebots.

Mein Ziel ist, uns wieder zurück in die Normalität zu bringen, soweit es eben möglich ist. Wir müssen herausfinden, wie diese Normalität trotz aller Restriktionen und Regulierungen in den einzelnen Bundesländern funktionieren kann. Natürlich ist es das oberste Ziel, wieder Umsätze zu erzielen, um die Verluste durch COVID-19 auszugleichen. Allerdings gibt es keinen Umsatz, ohne den Gästen das gewünschte Hotelerlebnis zu bieten. In den öffentlichen Hotelbereichen herrscht derzeit eine sehr merkwürdige Atmosphäre. Die Gäste sind unsicher, wie sie sich verhalten sollen, wo sie eine Maske tragen sollen und wo nicht. Unsere Aufgabe ist es, eine sichere Blase für diese Gäste zu schaffen, in der sie sich während ihres Aufenthalts wohlfühlen und sich nicht den Kopf über einzelne Details zerbrechen müssen. Die größte langfristige Herausforderung ist, trotz Social Distancing, Hygienevorschriften und beschränkter Kapazitäten in Restaurants und Veranstaltungsräumen zu schaffen.

Wie sieht die langfristige F&B-Strategie aus? Gibt es bereits einen Plan für ähnliche Situation in der Zukunft?

Wir planen natürlich langfristig, eine gewisse Unsicherheit kann man aber nicht ganz ausschließen. Vieles ist von Parametern abhängig, die wir nicht beeinflussen können, deshalb fokussieren und optimieren wir die Bereiche, die wir in der Hand haben. Wir nehmen uns jeden F&B-Bereich einzeln vor, um zu sehen, ob unsere Maßnahmen funktioniert haben oder nicht. Wir entwickeln bestehende Konzepte weiter, damit sie zukünftig in ähnlichen Situationen operabel bleiben. Zum Beispiel haben wir eine „Light-Version” unseres PRIME Restaurant & Bar-Konzepts erstellt. Es ist im Prinzip dasselbe Konzept, aber auf reduzierte Mitarbeiterzahlen und Kapazitätsgrenzen zugeschnitten, damit es für alle Beteiligten funktioniert. Wir arbeiten gerade auch an einem PRIME Café-Konzept mit einem Fokus auf Snacks wie Sandwiches oder Toast.

Was war die größte Herausforderung für Sie?

Für mich ist die größte Herausforderung nach wie vor die Frage „Was ist, wenn …?“. Wir befinden uns in einer neuen Realität, die alle bisherigen Prozesse über den Haufen wirft. Im März wurden große Teile unserer Konzepte und Standards ausgehebelt. Wegen COVID-19 mussten wir wieder ganz von vorne beginnen und uns selbst neu erfinden.

Alles in allem war es das aber wert. Nach dem ersten Schock, wo es nur darum ging, das Tagesgeschäft möglich zu machen, kam die Neuerfindungsphase und wir begannen, neue Ideen zu entwickeln. Der Schlüssel ist, den Betrieb am Laufen zu halten, ohne dass wir uns dabei selbst im Weg stehen. Dabei ist es wichtig, jeden Bereich abzudecken – ob Frühstück, Halbpension, Konferenzen etc. Alle von uns entwickelten Szenarien beziehen all diese Aspekte mit ein. Wir sind über unsere Rolle hinausgewachsen, um jedes Szenario an die individuellen Bedürfnisse der Hotels anzupassen. Mein Team ist durch ganz Deutschland gereist, um die jeweilige Situation vor Ort zu beurteilen und einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. An dieser Stelle möchte ich meinem Team meinen aufrichtigen Dank für diese Arbeit und den bemerkenswerten Einsatz aussprechen. Ohne sie würde es noch nicht so gut laufen, wie es das aktuell tut.

Was waren Ihre Schlüsselerfahrungen und welche Chancen sehen Sie in solch einer ungewöhnlichen Situation?

Nichts ist selbstverständlich (lacht). Nein, im Ernst: Die größte Chance für uns besteht darin, dass wir unsere Ansätze überdenken und Änderungen vornehmen konnten, ohne dabei die Kundenerfahrung zu schmälern. Viele unserer F&B-Bereiche sind noch geschlossen. Das gibt uns Zeit, aus Fehlern zu lernen und zu erkennen, wo wir Verbesserungspotenzial haben und effizienter arbeiten können.

Für mich persönlich ist es die Chance, ideale Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeiter zu schaffen. Das geschieht zum Beispiel im Rahmen des PRIME Restaurant & Bar-Konzepts: Es ist anspruchsvoll aber schafft zugleich auch operable Rahmenbedingungen. Wir arbeiten mit den besten Zulieferern und geben den Chefköchen die Möglichkeit, 30 – 40 % der Speisekarte unter Verwendung der hochwertigsten saisonalen und regionalen Zutaten frei zu gestalten. Diese Bedingungen erleichtern die Arbeit des Personals und führen somit zu höherer Mitarbeiterzufriedenheit. Zu Feierabend hängt einem nicht die Zunge in den Kniekehlen, sondern jeder geht mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause. Das merken die Hotelgäste natürlich und sind dadurch auch zufriedener. Und wie wir wissen, sind zufriedene Kunden die Grundlage für ein erfolgreiches Unternehmen. Das ist der Kreislauf. Unser Ziel ist es, diesen Kreislauf trotz aller möglicher Schwierigkeiten im Einklang zu halten. Jetzt ist unsere Chance, es wirklich zu schaffen.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die zukünftigen Herausforderungen!

Redaktion: Bea Lehofer